Offenes Anschreiben an den Redakteur der Wehrmedizinischen Zeitschrift

Offenes Anschreiben an den Redakteur der Wehrmedizinischen Zeitschrift

Sehr geehrter Herr Dr. Finke,

wir sind eine internationale Gruppe von Menschenrechtsaktivisten, die unter dem Namen BASTA ein Forum gefunden hat und sich schwerpunktmäßig mit Bedingungen innerhalb der Armeen diverser Länder beschäftigt. In Deutschland geht es uns insbesondere um Praxis der erzwungenen der Intimuntersuchung im Rahmen der Einstellungs- und sonstigen Tauglichkeitsuntersuchungen der Bundeswehr und ihrer Behörden.

Die systematische und bewusste Verletzung des Schamgefühls durch erzwungene Nacktheit ist Bestandteil so genannter “weißer Folter”.  Die Intimuntersuchungen bei Männern im Rahmen der genannten „Untersuchungen“, die oft durch weibliche Ärztinnen und Assistentinnen durchgeführt wird, erfüllen zumindest wesentliche Merkmale von Methoden die in anderen Kontexten als Menschenrechtsverletzung geächtet werden. Sie sind als eine systematische und zwangsweise Form der sexuellen Erniedrigung anzusehen.

Verständlich, dass diese Form „medizinischer Untersuchungen“, welche die seriöse Medizin diskreditiert, auch innerhalb der Bundeswehr zunehmend hinterfragt werden, meist allerdings nur hinter vorgehaltener Hand.

In ihrer Ausgabe 8-9/2012der „Wehrmedizinischen Monatsschrift“ haben sie die Beiträge der Jahrestagung der Arbeitsgruppe chirurgisch tätiger Sanitätsoffiziere (ARCHIS) vom 11. Bis 13. Januar 2012 veröffentlicht. Einen Beitrag, in dem die Praxis der erzwungenen Intimuntersuchung endlich offen  kritisch hinterfragt wird, haben Sie allerdings ausgelassen.

Den Beitrag „Hat die aktuelle Praxis der männliche Intimuntersuchung bei Musterungs- und Einstellungsuntersuchungen Einfluss auf die Freiwilligengewinnung?“, der mir in Form einer Mitschrift vorliegt, sucht man vergebens.

Ist dieses Tabuthema tatsächlich so unangenehm, dass eine öffentliche Auseinandersetzung,  unter allen Umständen vermieden werden muss? Es wäre nicht das erste Mal, dass wir das erleben. Es wird entweder geschwiegen, bagatellisiert oder man weist jede Verantwortung von sich, in dem man, auch fälschlicherweise, angibt, man sei gar nicht zuständig.

Ein Oberstabsarzt äußerte mir gegenüber sogar, er wäre für solche Untersuchungen gar nicht zuständig, sondern nur die Musterungsärzte/innen in den KWEÄ, welche  der WBV unterstehen. Die Einstellungsuntersuchungen die mit Beginn des Wehrdienstes sowie die anderen Tauglichkeitsuntersuchungen, die während der Dienstzeit auch bei Zeit- und Berufssoldaten gemäß der ZDv durchgeführt werden, existierten plötzlich für ihn überhaupt nicht! Natürlich forderte er mich umgehend auf, eine weitere Zusendung von Informationsmaterial  an die Emailadressen aufsichtsrat@sanoaev.de und geschaeftsstelle@sanoaev.de zu unterlassen. Wir haben dieses Mal seinem Wunsch entsprochen, nicht weil wir ernsthaft die angedrohten juristischen Konsequenzen fürchten, die aus unserer Sicht jeder Grundlage entbehren, sondern weil es nicht viel Sinn macht bei einer einzelnen Person, die sich solcherart von der Realität abgekoppelt hat, um einem  unangenehmen Thema aus dem Weg zu gehen zu können, auf Einsicht zu hoffen.

Natürlich wird BASTA dennoch weiterhin an dem Thema arbeiten. Sicher wird eines Tages auch die Praxis der systematischen und bewussten sexuellen Erniedrigung in militärischen Einrichtungen mit derselben Selbstverständlichkeit in der Gesellschaft diskutiert, wie die Missbräuche in anderen Institutionen. Dieser Zeitpunkt kommt möglicherweise schon sehr bald. Wie werden Sie sich dann positionieren? Und vor allem- wie wollen Sie und ihr Berufsstand dann  rückblickend Ihr jetziges Verhalten plausibel erklären?

Vielleicht überlegen Sie es sich ja noch mal und veröffentlichen nachträglich auch den oben genannten Vortrag zur aktuellen Praxis der männlichen Intimuntersuchung. Die mir vorliegende Mitschrift habe ich als Anlage beigefügt. Da  die Vorträge der Redner einer Tagung sicher bei Ihnen vorher eingereicht werden müssen, gehe ich allerdings davon aus, dass Ihnen das Manuskript des Originalbeitrags noch vorliegt.

Sollten wir im Laufe unserer Recherchen unsererseits auf den Originalbeitrag stoßen, kann ich ihn Ihnen anderenfalls gerne zur Veröffentlichung überlassen.

Mit freundlichen Grüßen

Lars G Petersson