Brief an den Wehrbeauftragten

Brief an den Wehrbeauftragten

11 Feb 2016

Hallo Herr Petersson,

anbei wie zugesagt der offene Brief an den Wehrbeauftragten Jahr und die „Antwort“ vom Anfang des letzten Jahres. Da ich nach wie vor an dem Thema dran bin, anbei auch noch die aktuellen Erkenntnisse. So wird entgegen meiner Aussage in dem offenen Brief wohl doch noch häufiger direkt und ohne Sichtschutz vor weiblicher Assistenz untersucht, etwa in Hannover. Und auch die zukünftigen Offiziere sind nicht mehr mit der Ärztin alleine. Mehrfach wurde berichtet, dass am ACFüKrBw neben der obligatorischen Ärztin auch eine sehr junge „Assistenzärztin“ anwesend war, die nicht selber untersuchte aber die gesamte Untersuchung beobachtete. Die nackten männlichen Bewerber werden jetzt also auch hier wie früher nur die Wehrpflichtigen ohne Sichtschutz direkt vor der Arzthelferin vorgeführt.

Noch haben die Offiziersanwärter im Truppendienst dann aber das Privileg, nur von einer Ärztin ohne Assistenz untersucht zu werden.

Die Bewerberinnen für den Freiwilligen Wehrdienst müssen offenbar inzwischen ein Gutachten vom Frauenarzt vorlegen, ansonsten werden auch sie komplett (nackt) begutachtet, genau wie die Männer. Allerdings weiß ich von mindestens einem Fall, wo die Bewerberinnen sich geweigert haben, von einem männlichen Arzt begutachtet zu werden. In einem Center in Thüringen waren fast ein Drittel der Bewerber für den FWD Frauen, hier untersuchte eine Ärztin und ein Arzt. Nachdem die ersten Bewerberinnen mitbekamen, dass sie auch zu dem männlichen Arzt sollten, haben sich alle Bewerberinnen geschlossen dagegen verwehrt, auch die, die ein Attest vom Frauenarzt hatten und entsprechend die Unterwäsche anlassen konnten. Die jungen Männer, die sich durchweg nackt präsentieren mussten, haben sich selbstverständlich nicht beschwert, obwohl es den Meisten durchaus recht peinlich vor einer Ärztin war.

In den Zentren wird jetzt zwar öfter auf die weibliche Assistenz verzichtet, dafür gibt es die Nacktvorführung dann in der Kaserne. In Berlin haben Anfang 2016 wieder Rekruten ihren FwD mit der AGA begonnen. Die ärztliche Untersuchung machte hier ein älterer Arzt mit einer jungen Assistentin, beide komplett in weiß gekleidet und daher offensichtlich ziviles Personal. Die Frauen waren allesamt nur ganz kurz bei dem Arzt, es wurde kein Attest vom Frauenarzt verlangt, höchstens eines vom Hausarzt. Untersucht wurde nicht, nur Fragen gestellt. Die Männer bekamen vorab einen Infobogen zum Thema Hodenkrebs. Beim Arzt mussten sie sich dann komplett ausziehen. Zur Erinnerung, die ZDv schreibt eine Untersuchung der Hoden nur einmal im Jahr vor und die FwDler wurden i. d. R. ein halbes Jahr vor Dienstantritt gemustert. Auf die Frage, ob denn die junge Assistentin dabei war, antworteten sie, dass sie die ganze Zeit zugesehen hat und dass es schon sehr unangenehm war, aber sie wollten sich nicht extra beschweren.

Hier wird auch das ganze Dilemma deutlich. Während Mädchen und junge Frauen von frühester Kindheit dazu erzogen werden, sich sofort wegen jedem Ding zu beschweren, werden die jungen Männer nach wie vor immer noch so erzogen, dass sie fast Alles mit sich machen lassen. Die unterschiedliche Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Frauen und Männern durch staatliche Institutionen beschränkt sich nämlich bei weiten nicht auf die Bundeswehr. Ein zukünftiger Kommissar der Polizei berichtete mir ganz entrüstet, dass eine Bekannte von ihm bei der Bewerbung halbnackt vor einem Arzt stehen musste. Auf seine eigene Untersuchung angesprochen, kam dann heraus, dass er ganz nackt vor drei Frauen, einer Ärztin und zwei Helferinnen (ohne Sichtschutz) stehen musste. Diese Konstellation ist offenbar bei Polizei, Bundespolizei, Zoll und Justiz nicht selten. Im Gegensatz zur Bundeswehr wird hier jedoch nur geguckt, d. h. die Hoden werden nicht palpiert sondern nur begutachtet. Allerdings muss Mann sich vor einer Ärztin auch die Vorhaut zurück ziehen, obwohl gemäß PDV 300 eine Phimose keinen Grund für eine Dienstuntauglichkeit darstellt. Die ganze Sache auf die Spitze getrieben hat dann aber wohl ein männlicher Arzt in Sachsen-Anhalt, der die Bewerber für den mittleren Justizdienst untersucht hat. Der Arzt hat die Begutachtung der Genitalien der jungen Männer tatsächlich vollständig seiner Arzthelferin (geschätzt auf Anfang Zwanzig) überlassen. Die junge Dame konnte so den ganzen Tag ganz offiziell alle nackten jungen Männer ansehen, die sich dort beworben haben.

Und sogar die zivilen staatlichen Institutionen machen diesen Unterschied. So muss im Rahmen der MPU eine Urinprobe abgegeben werden. Dabei wird genau auf die Genitalien geachtet, damit hier keine Täuschungsversuche, etwa durch Kunststoffpenise mit Wasserfüllung, möglich sind. Bei Frauen dürfen selbstverständlich nur Frauen zusehen, bei Männer dagegen jede Person, die möchte. So wird es etwa an der Universitätsklinik Hamburg gehandhabt.

Hochinteressant ist auch, dass diese unwahrscheinlich wichtige Begutachtung der Genitalien am nackten Mann offenbar nur bei staatlichen Waffenträgern notwendig ist. Berufsfeuerwehr, THW oder auch privaten Wachfirmen reicht (wie bei jeder anderen Arbeitsmedizinischen Untersuchung auch) ein einfacher Urintest aus, um den Status der Harn- und Geschlechtsorgane zu ermitteln.

Mit freundlichen Grüßen

Mathias Frost